Fast in jeder länger dauernden Beziehung wird das Paar mit irgendeiner Form von Unglück konfrontiert. Das kann ein Unfall sein, ein beruflicher oder finanzieller Zusammenbruch, oder auch Krankheit und Tod des Partners oder naher Angehöriger. Aus aktuellem Anlass möchte ich von eigenen Erfahrungen dazu berichten:

Meine Frau Christine und ich waren fast 49 Jahre ein Paar. Eine lange Zeit, in der wir drei Töchter bekommen haben und sich eine große Familie mit 7 Enkelkinder entwickelt hat. Wir haben beruflich intensiv zusammengearbeitet und es hat viele äußerst positive Entwicklungen gegeben. Viele Konflikte haben wir gehabt, aber letztlich immer wieder gut gelöst. Wir konnten unseren aktiven Ruhestand genießen.

Völlig überraschend bekam Christine im Juli 2023 die Diagnose Gallengangskarzinom, eine ganz bösartige Form von Leberkrebs. Er war lange nicht erkannt worden und befand sich bereits in einem fortgeschrittenem Stadium, mit einer weiteren Lebenserwartung von nur 3-6 Monaten. Die Schulmedizin konnte uns dazu nur lindernde Chemotherapie anbieten.

 

Wir haben die Herausforderung angenommen

Nachdem dem ersten Schock begannen wir, gemeinsam nach alternativen Wegen Ausschau zu halten, um den Krebs zu verlangsamen und wenn möglich zu stoppen. Wir waren überrascht, was es abseits der Schulmedizin alles gab. In diesem Prozess war ich so etwas wie ein Pfadfinder, der alle Möglichkeiten erkundete, während Christine mit voller Konsequenz die Maßnahmen umsetzte.

Fast ein ganzes Jahr lang konnten wir damit Hoffnung und Lebensqualität aufrecht halten. Im Sommer 2024 wurde aber doch deutlich, dass dieser übermächtige Gegner nicht zu besiegen war. Jetzt mussten wir uns auf das unausweichliche Ende einstellen. In dieser Phase wurden wir durch die Schulmedizin und das mobile Palliativteam bestens unterstützt, um Schmerzen zu kontrollieren und daheim gut versorgt zu sein. Christine schlief am 22.10.2024 zuhause friedlich ein.

 

Eine enorm wichtige Zeit für uns

Viele Menschen wünschen sich ja einen plötzlichen Tod, ohne die Belastungen einer Krankheit. Wir haben das anders erlebt, denn diese Zeit, in der es wirklich um Leben und Tod ging, hat unserer Beziehung noch einmal einen weiteren Schub gegeben. In der ersten Phase durch den gemeinsamen Weg, auf dem wir miteinander durch Dick und Dünn gingen. In der zweiten Phase, in der Christine immer dünner und schwächer wurde, und ich sie auch dabei begleiten durfte.

Auch unsere erwachsenen Töchter haben sich von Anfang ganz praktisch eingebracht und die Zeit mit Mama sehr bewusst gestaltet. Durch all das sind wir auch als Familie noch weiter zusammengewachsen. Besonders für ihre praktische Unterstützung war ich sehr dankbar, denn gerade in Christines letzten Tagen war ich schon an die Grenzen meiner eigenen Kräfte gekommen.

 

Was sich bei mir entwickelt hat

Ich war überrascht, dass sich im Schmelztiegel der Krankheit auch bei mir einige Seelische Muskeln (wie wir in der Imago Paartherapie unsere menschlichen Qualitäten nennen) weiter entwickelt und kräftiger geworden sind.

Da war zunächst meine Geduld. Geduld gehört sicher nicht zu meinen Stärken, aber ich bin viel gelassener geworden. Ich war selbst von mir überrascht, wie entspannt ich beispielsweise mit Christine stundenlang in der Praxis ihres alternativen Krebsarztes warten konnte. Wenn es um die wirklich großen Dinge des Lebens geht, wird die Zeit offenbar unwichtig.

Auch meine Fürsorglichkeit hat einen kräftigen Schub bekommen, denn nun musste und wollte ich umfassend für Christine sorgen. Sie hat mich liebevoll ihren Gesundheitsmanager genannt, der für sie alles organisiert hat und sie später bis hin zum Sterben hauptverantwortlich betreut hat.

Erstaunlicherweise hat sich auch mein Humor weiter entwickelt. Dieser Humor hat mir geholfen, dramatische Situationen die entscheidende Spur leichter zu nehmen. Auch in meiner Sprache hat sich eine gewisse Leichtigkeit verstärkt. Vielleicht weil mir bewusst wurde, dass angesichts des übermächtigen Lebensdramas ein freundliches Annehmen besser passt als ein mich ohnmächtig dagegen zu stemmen.

 

Wahrscheinlich gäbe es auch sonst noch einiges an Wertvollem zu finden. Auf jeden Fall bin ich unendlich dankbar auch für diesen letzten Abschnitt unserer Beziehungsreise. Und ich weiß von Christine, dass diese Zeit auch für sie genau so wichtig war wie für uns alle.

Christine, wir sehen uns wieder!

 

Dr. Max Schallauer

Weihnachten 2023

Hier findet ihr einen ausführlichen Nachruf auf Christine